Linienintegration additiver Fertigungsverfahren ‑Photonik Forschung Deutschland
Axel Deilmann
Unternehmensberater
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Themenfeld „Linienintegration additiver Fertigungsverfahren” auf der Grundlage des Programms „Photonik Forschung Deutschland” und leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung der neuen Hightech-Strategie der Bundesregierung. Im Forschungs- und Innovationsfeld „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft” der Hightech-Strategie wird das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 als eine prioritäre Aufgabe identifiziert. Hierzu sollen Forschungsvorhaben der Photonik gefördert werden, die einen Beitrag zur Bewältigung der steigenden Anforderungen an Flexibilität, Wandlungsfähigkeit und Vernetzung der industriellen Produktion und der zunehmenden Einbindung von Kunden und Geschäftspartnern in klassische Produktions- und Geschäftsprozesse leisten. Additiven Fertigungsverfahren auf der Basis photonischer Technologien kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.
Additive Laser- oder Elektronenstrahlverfahren können flexibel unterschiedlichste Geometrien realisieren – die Massenfertigung individualisierter Produkte wird möglich. Zudem eröffnen sie die Fertigung komplexer Strukturen ohne wesentlichen Mehraufwand. Bei der additiven Herstellung metallischer Bauteile haben laser- und elektronenstrahlbasierte Verfahren Einzug in erste Serienanwendungen gehalten – meist jedoch nur als Insellösung ohne durchgängige Einbindung in Prozeßketten. Um den Schritt zur breiten Nutzung der additiven Fertigung in der Serienproduktion erfolgreich zu gestalten, sind noch signifikante Forschungsanstrengungen notwendig, die mit dieser Fördermaßnahme unterstützt werden sollen.
Ziel dieser Fördermaßnahme ist:
- die Entwicklung robuster vertikaler Prozeßketten für additive Fertigungsverfahren sowie
- die Integration der additiven Fertigung in durchgängige horizontale Prozeßketten der industriellen Serienfertigung
- die Produktivität additiver Fertigungsverfahren muß gesteigert und das Zusammenspiel mit konventionellen Fertigungsverfahren mittels durchgängiger Datenformate und geeigneter Schnittstellen einfacher werden.
Dazu bedarf es weiterer Fortschritte, beginnend bei den Ausgangsmaterialien über die Laser- und Elektronenstrahlsysteme und die Prozeßüberwachung bis hin zu einheitlichen, durchgängigen Softwarelösungen und industrietauglichen Standard-Schnittstellen.
ypische Anwendungen additiver Fertigungsverfahren fokussieren zur Zeit auf die Prototypenfertigung und auf Märkte, in denen in der Regel hochpreisige Produkte in kleinen Stückzahlen in Stand-alone-Prozessen gefertigt werden, und auch hier mit Einschränkungen u. a. bezüglich verfügbarer Materialien oder erreichbarer Festigkeiten, z. B.:
- medizinische Implantate (z. B. individuelle Implantate aus Titanlegierungen)
- Werkzeug- und Formenbau (z. B. für die Herstellung von Spritzgußbauteilen)
- Sonderanfertigungen mit komplexen Geometrien in geringen Stückzahlen (z. B. Hydraulikkomponenten)
- Vereinzelt werden auch bereits spezialisierte Teile wie Sensorgehäuse oder Einspritzdüsen für Flugzeugturbinen in Serie gefertigt. Dem zugrunde liegen langjährige Forschungsarbeiten, die für das jeweilige Bauteil spezifische Herausforderungen bei Design, Material und Bearbeitungsprozeß adressiert haben.
Anwendungen, auf die aktuelle Anstrengungen in Forschung und Entwicklung zielen, umfassen u. a.:
- Sondermaschinenbau (kleine Stückzahlen, hohe Komplexität, kurze Innovationszyklen)
- Turbomaschinenbau (Flugtriebwerke, stationärer Turbinenbau), Herstellung komplexer Bauteile in Leichtbauweise mit verbesserter Funktionalität (z. B. Kühlung)
- Luft- und Raumfahrtindustrie (Vorserien- und Serienanwendungen, Individualisierung, funktionsoptimierter Leichtbau)
- Automobilindustrie (Kleinserienfertigung, Ersatzteilfertigung, Individualisierung, funktionsoptimierter Leichtbau)
Hier sind jedoch entlang aller Glieder der Prozeßketten noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen, die heute einer Implementierung additiver Technologien zur robusten Fertigung größerer Stückzahlen und damit einer breiten industriellen Nutzung entgegenstehen. Einzeln und in Teilen der Prozeßketten wurden und werden diese Aspekte bereits, u. a. im Rahmen der BMBF-Förderung, adressiert. Im nächsten Schritt geht es nun darum, den Weg zu bereiten für die Linienintegration im industriellen Umfeld. Dazu ist es erforderlich, Prozeßketten vollständig abzubilden, die additive Fertigung besser in Produktionsabläufe zu integrieren und industrielle Anwendungen in den Vordergrund zu stellen. Dabei ist die Digitalisierung der Produktion ein wesentlicher Aspekt, und zwar durchgängig, vom Design über die Fertigung bis zu Vertrieb und Wartung.
Das BMBF will mit der Fördermaßnahme kooperative, vorwettbewerbliche Verbundprojekte unter industrieller Führung unterstützen, die wesentliche Hemmnisse bei der Linienintegration additiver Fertigungsverfahren im industriellen Umfeld adressieren und ein großes Marktpotential aufweisen. Kennzeichen der Projekte sind ein hohes Risiko und eine besondere Komplexität der Forschungsaufgabe. Für eine Lösung sind in der Regel inter- und multidisziplinäres Vorgehen und eine enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erforderlich. Die Vorhaben sollen komplette Prozeßketten vom Produktdesign und der Bereitstellung der Materialien über die konventionellen und additiven Bearbeitungsschritte bis hin zur abschließenden Qualitätssicherung umfassen. Die Verbundstruktur soll insbesondere die notwendige Zusammenarbeit zwischen Technologieentwicklern und Anwendern bzw. Systemintegratoren widerspiegeln und einen Beitrag zur Förderung der Zusammenarbeit sowohl untereinander wie mit Anwendern leisten.
Die Fördermaßnahme zielt auf Innovation und Wachstum in Deutschland. Der inländischen Verwertung der Projektergebnisse kommt daher besondere Bedeutung zu. Da Innovations- und Beschäftigungsimpulse gerade auch von Unternehmensgründungen ausgehen, sind solche Gründungen im Anschluß an die Projektförderung des BMBF erwünscht.
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Gegenstand der Förderung
- Im Mittelpunkt der Fördermaßnahme stehen bislang ungelöste Herausforderungen der Linienintegration additiver Fertigungsverfahren. Daher werden an die zu fördernden Projekte folgende Anforderungen gestellt:
- Die Projekte müssen von industriegeführten Konsortien durchgeführt werden. Um Zulieferketten abzusichern und die Breitenwirksamkeit der Fördermaßnahme sicherzustellen, wird dabei eine starke Einbindung des Mittelstands angestrebt.
- Gegenstand des Projekts müssen Forschungsarbeiten zur Einbindung mindestsens eines additiven Fertigungsschritts in die Prozesskette für eine konkrete Produktoption sein. Dabei muß die komplette Prozesskette betrachtet werden.
- Im Projekt muß zwingend eine Demonstration im Umfeld der Serienfertigung / Linienintegration bei den Industriepartnern / Endanwendern erfolgen.
- Für die betrachtete Prozesskette müssen Lösungen für alle Hemmnisse – vom Werkstoff über die Anlagentechnik bis zum Produktionsumfeld inklusive vor- und nachgelagerter Produktplanungs- und Fertigungsprozesse – adressiert werden.
- Die Projekte sollen konkrete Anwendungen aus Schlüsselbranchen der deutschen Industrie adressieren, um eine hohe Sichtbarkeit und damit Signalwirkung für die additive Fertigung in Deutschland zu erzielen.
Die geförderten Verbundprojekte sollen eingebettet in die vollständige Prozesskette Lösungen u. a. zu folgenden Fragestellungen erarbeiten:
- Erforschung der Werkstoff-/ Bauteileigenschaften im Kontext der eingesetzten Laser- und Elektronenstrahlprozesse sowie deren Reproduzierbarkeit (u. a. Langzeitbeständigkeit der optischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften)
- Werkstoff Modellentwicklung, Wirkzusammenhänge Werkstoff – Prozeß – Bauteil z. B. zur Erhöhung von Oberflächengüte, Qualität in Aufbaurichtung und Bauteilfestigkeiten
- Erweiterung der mit additiven Laser- und Elektronenstrahlverfahren verarbeitbaren Werkstoffpalette
- v Entwicklung robuster Strahlquellen‑, Anlagen- und Systemtechnik sowie Steuerungs- und Antriebstechnik
- v Steigerung der Prozeßsicherheit, Reproduzierbarkeit und Produktivität sowie Senkung der Fertigungskosten einschließlich einer gegebenenfalls erforderlichen Fertigbearbeitung
- Methoden für die In-line-Prozeß-/ Qualitätsüberwachung und ‑sicherung zur Realisierung einer first-time-right-Fertigung
- Modellierung additiver Verfahren, Entwicklung von Design- und Simulationswerkzeugen
- Konzepte für die schnelle und kostengünstige Implementierung additiver Fertigungsschritte
- Durchgängigkeit der Datenketten bei Einbindung additiver Fertigungsschritte in Prozeßketten
- Erarbeitung der Grundlagen für einheitliche Software-Standards und durchgängige Software-Lösungen
- Entwicklung von Schnittstellen für Anlagen zur additiven Fertigung zur Gewährleistung herstellerunabhängiger Technologie- und Prozeßtransfers
- Konzepte für die automatisierte Bauteilauslegung, sowohl unter Einbeziehung der spezifischen Rahmenbedingungen der additiven Fertigung als auch im Hinblick auf die Anforderungen der späteren Nutzung
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Zuwendungsempfänger
Antragsberechtigt sind Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, die zum Zeitpunkt der Auszahlung einer gewährten Zuwendung eine Betriebsstätte oder Niederlassung in Deutschland haben, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Forschungseinrichtungen, die von Bund und / oder Ländern grundfinanziert werden, kann neben ihrer institutionellen Förderung nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Projektförderung für ihre zusätzlichen projektbedingten Ausgaben beziehungsweise Kosten bewilligt werden.
Die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) ist ausdrücklich erwünscht und führt bei der Projektbegutachtung zur Aufwertung.
2.1. Einzelförderung nach dieser Förderrichtlinie auf Grundlage der AGVO für wirtschaftliche Tätigkeiten ist begrenzt auf maximal:
- 40 Millionen Euro pro Unternehmen und Vorhaben. Dies ist der Fall, wenn mehr als die Hälfte der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens aufgrund von Tätigkeiten in der Grundlagenforschung anfallen (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe i Unterbuchstabe i AGVO).
- 20 Millionen Euro pro Unternehmen und Vorhaben. Dies ist der Fall, wenn mehr als die Hälfte der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens aufgrund von Tätigkeiten in der industriellen Forschung oder von Tätigkeiten in der industriellen Forschung und der Grundlagenforschung anfallen (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe i Unterbuchstabe ii AGVO).
- 15 Millionen Euro pro Unternehmen und Vorhaben. Dies ist der Fall, wenn mehr als die Hälfte der beihilfefähigen Kosten des Vorhabens aufgrund von Tätigkeiten in der experimentellen Entwicklung anfallen (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe i Unterbuchstabe iii AGVO).
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Art und Umfang, Höhe der Zuwendung
Die Förderung nach dieser Richtlinie erfolgt in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen. Die Beihilfeintensität pro Beihilfeempfänger darf folgende Sätze nicht überschreiten:
- 100 % der beihilfefähigen Kosten für Grundlagenforschung
- 50 % der beihilfefähigen Kosten für industrielle Forschung
- 25 % der beihilfefähigen Kosten für experimentelle Entwicklung
Bemessungsgrundlage für Zuwendungen an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten. In der Regel können diese – je nach Anwendungsnähe des Vorhabens – bis zu 50 % anteilfinanziert werden. Nach BMBF-Grundsätzen wird eine angemessene Eigenbeteiligung – grundsätzlich mindestens 50 % der entstehenden zuwendungsfähigen Kosten – vorausgesetzt.
Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100 % gefördert werden können.
Bei nichtwirtschaftlichen Forschungsvorhaben an Hochschulen und Universitätskliniken wird zusätzlich zu den zuwendungsfähigen Ausgaben eine Projektpauschale in Höhe von 20 % gewährt.
Es wird erwartet, dass sich Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft im Hinblick auf die Umsetzungsnähe entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an den Aufwendungen der Hochschulen und öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen angemessen beteiligen, sofern Letztere als Verbundpartner mitwirken. Als angemessen gilt in der Regel, wenn in Summe über den Verbund eine Eigenbeteiligung der Verbundpartner in Höhe von mindestens 50 % an den Gesamtkosten/-ausgaben des Verbundprojekts erreicht wird.
Um die Breitenwirksamkeit der Fördermaßnahme sicherzustellen, wird eine starke Einbindung des Mittelstands angestrebt. Daher müssen in den Projekten grundsätzlich mindestens 20 % der Zuwendung an KMU und mittelständische Unternehmen bis 1 000 Beschäftigte und 100 Millionen Euro Umsatz gehen.
Im Einzelfall kann bei besonders starker Einbindung solcher Unternehmen (mehr als 30 % der Zuwendung gehen an KMU und mittelständische Unternehmen bis 1 000 Beschäftigte und 100 Millionen Euro Umsatz) auch eine entsprechende Eigenbeteiligung von in Summe 40 % als angemessen bewertet werden.
Bei der Berechnung der Verbundförderquote von maximal 50 % (bzw. im Einzelfall 60 %) sind Boni für KMU im Sinne der Definition der EU-Kommission sowie die in den Aufwendungen von Hochschulen enthaltenen Projektpauschalen nicht zu berücksichtigen; diese werden zusätzlich gewährt.